Inselbiogeographie 2002 - Studienreise nach La Réunion

November 2002

 

Bekanntermaßen gelten auf Inseln besondere Gesetze. Naturforscher haben ihnen schon immer eine besondere Beachtung geschenkt. Zu recht. Inseln sind Brutstätten der Artentstehung ebenso wie letzte Refugien - und manchmal obendrein traurige Zeugen des ökologischen Zerfalls und eines rapiden Niedergangs der biologischen Vielfalt.

Nicht immer ist der Mensch die Wurzel allen Übels, aber meistens. La Reúnion macht da leider keine Ausnahme.

Als der Theologe Sir Hamon L´Estrange im Jahre 1638 durch die Straßen Londons schlendert, stößt er auf das Dokument eines missratenen Geschöpfs, das Abbild eines plumpen, stämmigen Vogels mit einem großen Schnabel, auf einen Fetzen Leinwand gepinselt, von dem der Besitzer behauptet, dass es ein Dodo sei.

Der mauritische Rahphus cucullatus, wie der Dodo oder Dronte auf gut wissenschaftlich genannt wird, war es zwar vermutlich nicht, der die Aufmerksamkeit von L´Estrange erregte, womöglich aber ein naher Verwandter von der Insel Réunuion, der sogenannte Einsiedler, Ornithaptera solitaria.

Beide Vögel teilen ein gemeinsames Schicksal: sie waren groß und flugunfähig, lebten weitgehend unbehelligt in dem eng umgrenzten Areal ihrer jeweiligen Inselwelt - und sie sind ausgestorben. Hungrige Seefahrer haben in wenigen Jahrzehnten den Garaus gemacht.

Inseln sind gleichsam Laboratorien der Evolution. Zusammen mit der kleineren Insel Rodriguez bilden Mauritius und La Réunion die Maskarenen, rund 900 km östlich von Madagaskar mitten im Indischen Ozean gelegen und 1512 von dem Portugiesen Pedro de Mascarenhas entdeckt.

Die Maskarenen sind aus Feuer geboren, vom gleichen unterseeischen Hotspot ans Licht der Welt gedrückt. Und noch eine Besonderheit kennzeichnet sie: nie waren die Inseln mit dem Festland verbunden und werden es vermutlich auch niemals sein.

Vulkanische Inseln sind nach ihrer heißen Geburt aus brodelnder Lava lebensfeindlich und nackt. Im Falle der Maskarenen war die Besiedlung mit Pflanzen und Tieren weitgehend den vorherrschenden Meeres- und Windströmungen überlassen sowie der Fähigkeit ihrer ersten Bewohner zur Ausbreitung und unter unwirtlichen Bedingungen zu überleben.

Alle damals wie heute auf ihnen lebenden Tiere und Pflanzen haben somit einen weiten Weg hinter sich gebracht und eine eigenständige Entwicklung in relativer Isolation. Entsprechend häufig sind Endemiten, Arten, die nur im eng umgrenzten Areal der Maskarenen vorkommen, manche davon, wie zwei Taggeckos, sogar nur auf der Insel Réunion.

Vielen wurden die speziellen Anpassungen an das Inseldasein jedoch zum Verhängnis. Als der Mensch über das Inselreich der Maskarenen hereinbrach, bedeutete dies das unaufhaltsame Ende für eine Vielzahl von Arten, darunter, neben Einsiedler und Dodo, landlebende Riesenschildkröten und dreizehn weitere Arten von Vögeln.

Wir werden uns auf die Suche machen, auf unserer Studienreise zum Thema Inselbiogeographie, nach Spuren jener Riesenschildkröten, des schrulligen Einsiedlers und des unglücklichen Dodo - und Fragen stellen, nach Ursprung und Herkunft und dem Schicksal von Inselbewohnern in einer kleiner werdenden Welt.

 

Foto Expedition auf den Spuren ausgestorbener Tierarten. Schwerpunkte: Der Einfluß des Menschen auf die natürliche Inselfauna (und -flora) - Ökologie von Inseln - Inselbiogeografie und der Inseleffekt am Beispiel von Réunion - Datensammlung für unsere geplante Doku-Reihe zum Thema "Inselbiogeografie".

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