Weltnaturerbe Bialowieza

 

Große Teile des Waldes dürfen gar nicht oder nur mit Sondergenehmigungen betreten werden. Es ist ein Mischwald mit Jahrhunderte alten Eichen, mächtige Ulmen, turmhohen Linden und schlanken Fichten, Kiefern und Schwarzerlen dazwischen, letztes Rückzugsgebiet von Schwarzstorch, Blauracke, Schlangenadler, Rotdrossel, Zwergschnäpper und neun teils hoch bedrohten Spechtarten. Seit 1979 ist der Restbestand eines europäischen Urwaldes das einzige Weltnaturerbe der UNESCO in Polen, 1992 erweitert um den weißrussischen Nationalpark „Belowesher Wald“.

 

Seine Existenz bis in die Gegenwart verdankt der Urwald der Tatsache, dass er im Laufe der Geschichte von wechselnden Regenten für die königliche Jagd genutzt wurde. So blieben die ursprünglichen Wälder bis ins 20. Jahrhundert erhalten und mit ihnen, stark dezimiert, das größte Säugetier Europas – der Wisent.

ie Naturgeschichte des europäischen Flachlandwisents ist eine Geschichte des Niedergangs. Weltkriege, Jagd und die Rodung der letzten Urwälder, hatten die mächtigen Zottelrinder Anfang des vergangenen Jahrhunderts an den Rand der Ausrottung gebracht. Mit den Wäldern schwanden auch die Wisente dahin. Am längsten überlebten sie in der Bialowiezaheide und den umliegenden Urwäldern.

 

Dort gab es vor dem Ersten Weltkrieg noch über 700  Wisente - danach nicht einen Einzigen. Trotzdem stellte man den Wald von Bialowieza unter Schutz. Am 29. Dezember 1921 entsteht das Forstrevier „Reservat", aus dem 1932 der „Nationalpark in Bialowieza" mit einer Fläche von knapp 4.700 ha hervorgeht. Die 1923 gegründete Internationale Wisentschutzgesellschaft konstatiert Ende 1924 die Existenz von lediglich 54 Europäischen Flachlandwisenten auf dem gesamten Globus. Von ihnen stammt die gesamte heute in Polen und Russland lebende Population.

 

1947 wird das Schutzgebiet noch einmal geringfügig erweitert. Die UNESCO erkennt den Nationalpark 1977 als Weltbiosphärenreservat an und setzt ihn zwei Jahre später als einziges Naturschutzgebiet in Polen auf die Liste des Weltnaturerbes. 1992 wird das Areal auf den östlich angrenzenden Teil des weißrussischen Nationalparks „Belowesher Wald“ ausgedehnt.

 

 

Insgesamt stehen so über 10.000 Hektar europäischen Urwaldes unter strengem Schutz. Seit mehr als achtzig Jahren und wahrscheinlich auch davor wurde im Wald von Bialowieza durch menschliche Einflüsse nichts mehr verändert. Bäume leben hier ihren vollen Zyklus – vom Sämling bis zum faulenden Stamm. Borkenkäfer dürfen sich austoben und umgestürzte Baumriesen bleiben liegen und verrotten – als Brutstätte neuen Lebens. Immerhin machen sie etwa 10-15% der gesamten Holzmasse aus.

 

So vielfältig die Lebensräume, so weit gefasst ist auch der Artenreichtum im Bialowieza Wald. Die 113 Pflanzengemeinschaften mit 632 Arten, darunter 35 Busch- und 24 Baumarten bilden zusammen 29% der gesamten polnischen Flora. Hinzu kommen noch einmal 254 Flechten-, 80 verschiedene Lebermoos- und rund 3.000 Pilzarten. Auf tierischer Seite stehen ihnen 54 Arten von Säugetieren mit Bison, Wolf, Luchs und Biber, 232 Vogelarten sowie 12 Amphiben- und 7 Reptilienarten gegenüber. Zudem gibt es rund 8.500 unterschiedliche Spezies von Insekten, die kaum jemand je untersucht hat.

 

Das Überleben des Europäischen Flachlandwisent scheint vorerst gesichert: Im Nationalpark leben etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Wisente, in den Waldgebieten darum herum noch einmal gut dreihundert Stück und knapp zweihundert mehr sind es noch einmal auf der russischen Seite.