Rückkehr der Auerochsen - Das Hutewald-Projekt im Solling
Filmdokumentation im Auftrag des ZDFinfokanal
Dauer: Zwei Folgen á 15 Minuten
Produktion: perentie productions
Kamera /Regie: Klaus Sparwasser
Ton: Iris Sparwasser
Schnitt : Miriam Weinandi
Inhalt:
Historische Eichenbestände, die letzten in Europa, drohen zu ersticken – alte Hutewälder, bekannt für ihren unerschöpflichen Artenreichtum. Einst haben Menschen ihre Haustiere zur Weide unter die Kronen der Baumriesen getrieben. Heute rauben ihnen aufschießende Rotbuchen das Licht. Es gilt die Mosaikstruktur der sonnendurchfluteten Eichenwälder zu erhalten und mit ihnen die biologische Vielfalt.
Dass Landschaftspflege und Artenschutz auch anders aussehen können, wollen Bernd Gerken und seine Mitstreiter von der Fachhochschule Lippe und Höxter beweisen. Nach Ihrer Ansicht geht es auch ohne Kettensägen und fortwirtschaftliches Gerät.
Wildpferde räumen auf im deutschen Wald und haben tatkräftige Unterstützung dabei: mächtige schwarze Rinder – die Abbildzucht des Auerochsen. Ein Stück Urzeit scheint zurück. Wo? Mitten in Deutschland.
Pferde und Rinder als Naturschützer? Fressen für den Artenschutz? Ein befremdlicher Gedanke. Auf 170 Hektar Fläche nahe der Ortschaft Amelith im Naturpark Solling-Vogler ist diese Vision Wirklichkeit.
Das ökologische Megaexperiment verzeichnet Erfolge. Exmoor Ponies und Heckrinder sind Wegbereiter – nicht nur im Wortsinn. Ihre Aufgabe: eine uralte Kulturlandschaft natürlich zu erhalten. Das Prinzip ist klar. Natur wieder zulassen. Nicht nur in abgegrenzten Reservaten. Weg von der strikten geradlinigen Zergliederung der Landschaft in Natur- und Nutzungsräume, hin zu dynamischen Systemen, die den Menschen integrieren und in denen Veränderung als Prozess einer natürlichen Evolution verstanden wird. Nur so haben viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten eine letzte Chance. Natur erhält sich selbst, wenn man sie lässt. Im Solling ersteht ein Stück Vergangenheit neu – und weist weit in die Zukunft. Hinter borkigen Stämmen gleiten schwarze Schatten. Dumpfes Brüllen hallt unter dem Blätterdach. Urzeit in der Gegenwart.
Weitere Informationen zum Hutewald-Projekt auf den Seiten der Abteilung Tierökologie der Fachhochschule Lippe/Höxter. Hier geht es zur Bildergalerie.
1. Teil: Alte Rassen, neue Wege - Naturschutz einmal anders
Am Anfang stand eine Vision: der Erhalt kostbarer Lebensräume mit quasi natürlichen Mitteln. Hutewälder sind „Hot Spots“ der Artenvielfalt und das mitten in Europa. Kaum jemand hat ihre Artenfülle je untersucht. Sie entsprechen ziemlich genau jenem Landschaftstypus, der vor Tausenden von Jahren von Elch, Wisent, Urpferd und Auerochse geprägt wurde – offene, lichte, mosaikartig vernetzte Biotope mit einer grandiosen Artenvielfalt.
Auf Hutewälder zu verzichten, bedeutet, dem Artensterben tatenlos zuzusehen. Motorsägen und Holzerntemaschinen haben bislang ihren Untergang verhindert - ein aufwendiges und teures Verfahren.
Mit großen Weidetieren geht es einfacher. Auerochsen und Exmoor Ponies schließen heute jene ökologische Lücke, die das Verschwinden großer urzeitlicher Weidetiere hinterlassen hat.
Sie leben frei auf 170 Hektar Waldfläche. Die dynamischen Prozesse, die sie anstoßen, schaffen neue Perspektiven für unzählige bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Zudem sind sie eine einzigartige touristische Attraktion. Im Solling, im Naturpark Solling-Vogler kann der Sonntagsspaziergang wieder zum Abenteuer werden.
Das Beispiel könnte Schule machen. Es ist Zeit zum Umdenken im deutschen Natur- und Artenschutz.
2. Teil: Hutewälder – „Hot Spots“ der Artenvielfalt in Europa
Hutewälder sind Kleinodien der Artenvielfalt – und im Schwinden begriffen. Handeln tut Not. Es gilt den lichten Waldcharakter und damit die biologische Vielfalt zu erhalten, auch oder gerade mit ungewöhnlichen Methoden.
Akribisch sind Wissenschaftler der Fachhochschule Lippe und Höxter dabei, den Artenreichtum zu erfassen. Warum bringen gerade Hutewälder so viele Arten hervor? Die Antwort ist einfach: weil es darin seit Urzeiten große Weidetiere gegeben hat.
Unter den steinalten Eichen im Solling gedeiht eine Vielzahl Licht und Wärme liebende Organismen, die anderswo selten geworden sind oder fehlen: Rote-Liste-Arten wie der Neuntöter, unzählige Schmetterlinge, Käfer und andere Kleinlebewesen, die durch die Dungproduktion von Rindern und Pferden eine ungeahnte Blüte erleben.
Von ihnen hängt eine Vielzahl weiterer Lebewesen ab, die sich direkt oder indirekt von Insekten und ihren Larven ernähren, darunter Dachse, Waschbären und natürlich Fledermäuse.
Besondere Spezialisten finden sich unter den Flechten. Manche sind für ihr Überleben auf 300-jährige Eichen angewiesen.