Exposé Pferdeevolution

 

Ein Film über die Evolution der Pferde, ihre Begegnung mit frühen Menschen und ihren langen Weg von Asien nach Europa - und über ein unscheinbares Pony im Südwesten von England, das vielleicht das letzte Urwildpferd Europas ist.

 

"Pferdegeflüster" - Auf der Suche nach den Urpferden der Gegenwart

Dauer 45 Minuten

 

Mehr als 60 Millionen Jahre liegt der Ursprung der Pferde in der Vergangenheit. Kaum jemand würde die terriergroßen Wesen, die damals auf je vier respektive drei Hufen an ihren Füßen die quasi tropischen Urwälder des Tertiärs durchstreiften mit heutigen Pferden in Verbindung bringen – Wissenschaftler einmal ausgenommen.
Mit dem, was wir heute als Pferde bezeichnen, haben Urpferdchen in der Tat wenig gemein. „Ur“-Wildpferde wie die Przewalskipferde in der Mongolei, sind nur die letzten Nachkommen eines frühen gemeinsamen Vorfahren, der alle heute existierenden Pferde miteinander verbindet.

 

In der Grube Messel bei Darmstadt, einer weltberühmten eozänen Fossilfundstätte und Weltnaturerbe der UNESCO, wurde eine ganze Palette von wirklichen Urpferden entdeckt, darunter trächtige Stuten in einem fantastischen Erhaltungsgrad. Die Gattung Propaläotherium, zu der die unscheinbaren Pferdchen gehören, steht ganz am Anfang der Pferdeevolution. Klein und gedrungen, mit einem Allesfressergebiss und vierzehn winzigen Hufen ausgestattet, lebten sie vor rund 49 Millionen Jahren im feuchten Unterholz des Urwaldes. Anstelle von Gras fraßen sie Blätter und Früchte. Von den stattlichen Araberpferden der Gegenwart waren sie Lichtjahre weit entfernt.

  • Takhis, Tachin Tal, Mongolei

Fossilfunde belegen, dass sich die Pferdeartigen irgendwann von Innerasien, dem Verlauf der Gebirgszüge folgend, bis nach Europa ausgebreitet haben. Vielleicht gelangten sie dort, vor vielleicht 40.000 Jahren, erstmals in Kontakt mit dem frühen Homo sapiens, der dabei war den Kontinent zu erobern. Felszeichnungen steinzeitlicher Höhlen in Südfrankreich und Spanien liefern beeindruckende Zeugnisse ab über die Lebewelt der Urzeitler. Immer wieder sind es Pferde, die die Wände von Nischen und Kammern füllen. Stilisierte Körper und prägnante Köpfe, die frappierend an heute lebende Przewalskipferde erinnern.
Mongolische Urpferde dürften schwerlich so weit nach Südeuropa vorgedrungen, um als Vorbilder für die Abbildungen der Höhlen von Niaux, Lascaux, Altamira und Ekain in Frage zu kommen. Sie stellen in den Augen der meisten Forscher ohnehin nur eine spezielle Anpassungsform dar, für ein Überleben in den weiten trockenheißen Grasländern Zentralasiens, hoch spezialisierte Nachkommen also eines weit zurückliegenden gemeinsamen Pferdevorfahren.

Über die Bedeutung von Pferden für die steinzeitlichen Höhlenbewohner kann nur spekuliert werden. Jagdeifer, ein erwachendes ästhetisches Empfinden oder eine mystische Verehrung von Pferden mögen Anlass für die Abbildungen gewesen sein. Nutztiere waren Pferde damals jedenfalls nicht. Noch nicht. Ihre Domestikation ereignete sich vergleichsweise spät und fällt in einen Zeitraum von schätzungsweise fünfeinhalb tausend Jahren irgendwo im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris.
Tarpane scheinen aussichtsreiche Kandidaten für die Haustierwerdung der Pferde. Einst in Südrussland und im östlichen Europa heimisch, starben Tarpane Ende des vorvergangenen Jahrhunderts aus. Neuzüchtungen aus Konig, Przewalskis und anderen Rassen vermitteln heute in einigen Naturparks in Deutschland einen Eindruck vom Aussehen der potenziellen Urhauspferde. Doch die Bilder der Höhlen in Südeuropa weisen noch in eine andere  Richtung.
Sie zeigen eindeutig kleine stämmige Pferde in ihrem Winterfell. Wie die heutigen Wildpferde in der Mongolei sollten die Pferde der Eiszeit in ihrem äußeren Erscheinungsbild recht ähnlich gewesen sein. Einheitlichkeit in Farbe und Statur sind meist ursprüngliche Merkmale. In Europa gibt es nur noch eine Region, wo man Pferde mit solchen Merkmalen finden kann.

  • Exmoor Ponies, Exmoor, England

Noch weitaus aufschlussreicher ist der Vergleich von 130.000 Jahre altem Fossilmaterial aus Großbritannien mit 12.000 bzw. 27.000 Jahre alten Fundstücken aus Südfrankreich und Alaska. Zwischen allen besteht so gut wie kein Unterschied. Dies legt den Schluss nahe, dass es sich um eine einheitliche und sehr ursprüngliche Abstammungslinie handelt. Auch die untersuchten Knochen von heute lebenden Exmoor Ponies passen exakt zu den prähistorischen Fundstücken. Das Exmoor Pony ist also eindeutig ein sehr ursprüngliches Bergpony, und wenn anatomische und genetische Untersuchungen nicht täuschen, ist es die älteste Pferderasse Europas.
Damit weisen die zotteligen Pferdchen in eine Zeit zurück, wo der letzte gemeinsame Vorfahre aller heute lebenden Pferde zu suchen ist. Während fast alle eiszeitlichen Faunenelemente aus Europa verschwunden sind, haben sie der Zeit getrotzt. Auch ohne Zutun des Menschen oder gerade deshalb haben Exmoor Ponies bis in die Gegenwart überdauert.

  • Exmoor Ponies, Exmoor, England

Umdenken tut Not. Mittels der Finanzkraft der westlichen Länder scheint dies in der Mongolei ansatzweise gelungen. Heute leben wieder mehrere Populationen Przewalskipferde im Hustai Nuuru Nationalpark nahe der mongolischen Hauptstadt und im Tachin-Tal kurz vor der chinesischen Grenze. Takhis gehören zum nationalen Gemeingut der Mongolen, letzte Repräsentanten einer ursprünglichen Tierwelt, auf die man zu recht Stolz ist.
In der westlichen Welt ist dies längst nicht selbstverständlich. Der europäische Wohlstandsbürger kapriziert sich auf den globalen Notstand und übersieht dabei die kleinen Wunder vor seiner Tür. Irgendwo in der nicht allzu fernen Vergangenheit teilte sich der Stammbaum der Pferde zum vorläufig letzten Mal. Die beiden neuen Linien repräsentieren verschiedene ökologische Prinzipien – Bergpony und Steppenpferd. Körperform und Aussehen entsprechen den Erfordernissen des Lebensraumes. Nur so konnte es den Pferden gelingen, in unterschiedlichsten Klimaten zu überdauern.
Bisher galten die Urwildpferde der Mongolei als einzige Vertreter einer Pferdelinie, die zu den Anfängen zurückreicht. Man wird die Liste um einen Kandidaten verlängern müssen.

  • Exmoor, England

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